Beethovens „Nobilitierungen“ von Freunden und Bekannten – Systematik und Strategie

Über lange Jahre, spätestens seit 1798, hat Beethoven bürgerliche Freunde und Bekannte „nobilitiert“, indem er in der Anrede oder (hier viel öfter und einer weit verbreiteten Konvention folgend, mithin deutlich weniger aussagestark) in der Adresse dem Namen ein „von“ oder „v.“ oder „de“ hinzufügte. Auf die vermutlichen Hintergründe und die Motivation seines Vorgehens, das ohne Zweifel nicht auf Irrtum beruhte, sondern gezielt erfolgte, wird hier erstmals – überwiegend auf der Grundlage der Briefe von und an Beethoven – näher eingegangen. Zu betrachten ist das Phänomen vor dem Hintergrund der zeitüblichen, aber auch der ganz persönlichen Reflexion über das Selbstverständnis bzw. den Dünkel des Adelsstands versus bürgerlichem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein, die sich zu seinen Lebzeiten generell stark veränderten. In seinem Fall ist dies aber auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Lage als Künstler zu sehen, der sich gerne unter die Fittiche des musikliebenden Adels nehmen ließ, ohne sich diesbezüglich im mindesten als Mensch zweiter Klasse zu sehen. Sein holländischer Namenszusatz „van“ gab weiteren Anlass zur Reflexion und zusätzlichen Bewegungsspielraum. Es zeigt sich, dass Beethovens komplexe Persönlichkeit gerade da sprechend zum Ausdruck kommt, wo er die „Nobilitierung“ nicht nur als schiere Höflichkeitsfloskel, sondern als individuelle Ehr- und Respektsbezeugung (die ihm auch selbst widerfuhr) oder als gezielte Motivationsförderung bei hilfreichen Geistern einsetzte. Manchmal geschah dies auch aus einer Laune heraus. Er wandte die Praxis besonders da an, wo es um den Umgang mit dem Adel und ihm besonders wichtige Angelegenheiten wie dem Kampf um die Vormundschaft für seinen Neffen Karl ging. Und er war sich nicht zu schade, sich für seinen Bruder Johann um eine echte Nobilitierung zu bemühen.

Beethovens „Nobilitierungen“ von Freunden und Bekannten – Systematik und Strategie

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