Die Figur des Mohren am Haus „Im Mohren“, dem Nachbarhaus des Beethoven-Hauses in Bonn – ein Thema für die Rassismus-Debatte unserer Tage?

Das denkmalgeschützte Haus „Im Mohren“ in der Bonngasse 18, das Nachbarhaus des Beethoven-Hauses, trägt seit mindestens 200 Jahren diesen Hausnamen. An der Fassade ist seither die Figur eines Mohren angebracht, mit Pfeife versehen und sich auf ein Fass stützend. Es war das stolze Zeichen dafür, dass schon um 1820 im Gebäude eine Spezereiwaren-Handlung betrieben wurde, in der man Gewürze und andere exotische Waren kaufen konnte. Warum dieses Hauszeichen kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die derzeitige Rassismus-Debatte in Bonn ist, davon handelt dieser Beitrag.

Die Figur des Mohren am Haus „Im Mohren“, dem Nachbarhaus des Beethoven-Hauses in Bonn – ein Thema für die Rassismus-Debatte unserer Tage? 

Kommentare

  1. Einige Hintergründe:
    Ausgelöst wurde die Debatte um die Figur des "Mohren" letztlich durch Kreideschriften vor der Bonngasse 18: "Diese Figur (Pfeil nach oben Richtung "Mohr") ist kolonialrassistisch." "Decolonize Bonn". Die darauf folgende Anregung des Direktors, das Thema einer genaueren Betrachtung zu unterziehen, wurde von der Forschungsabteilung aufgegriffen, man sichtete die Akten und versuchte, sich ein umfassendes Bild zu machen. Wie bei einem solchen Thema nicht anders zu erwarten, gibt es unter den Mitarbeitenden im Beethoven-Haus durchaus unterschiedliche Meinungen zum Umgang mit der Figur und der Aufschrift. In einem demokratischen offenen Prozess einigte man sich zunächst auf einen erläuternden Text auf der Website des Hauses, der den Minimalkonsens aller widergibt, ich zitiere:

    "Zum Haus Bonngasse 18:
    Das Haus ist eines der ältesten noch erhaltenen Gebäude des 18. Jahrhunderts in Bonn. Hier wohnte die Taufpatin Ludwig van Beethovens, Gertrud Baum, mit ihrer Familie. Der Überlieferung nach wurde hier am 17. Dezember 1770 Beethovens Taufe gefeiert. Das Haus beherbergte Mitte des 19. Jahrhunderts eine Kolonialwarenhandlung. Die Figur als Hauszeichen und der Beiname „Im Mohren“ tauchen um diese Zeit zum ersten Mal auf. Die Figur befindet sich seit spätestens 1845 an der Fassade und ist nach den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts gestaltet. Sie vereint die Attribute verschiedenster unterdrückter Völker: die dunkle Hautfarbe verweist auf Zentral- und Südafrika, Federschmuck und Pfeife sind den indigenen Völkern Amerikas zuzuordnen. Spätestens im Zuge der Kolonialgeschichte im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Begriff des "Mohren" durch Versklavung und Kolonialismus zu einem negativen Stereotyp und ist hiervon historisch nicht zu trennen. Das Gebäude steht mit der Fassade seit 1985 unter Denkmalschutz."

    Dieser Text geht weit über die erwähnte Tafel im Eingang der Bonngasse 18 hinaus. Jene Informationstafel äußert zum "Mohren" lediglich: "Der Name des Hauses stammt wohl aus dem frühen 19. Jahrhundert. Er bezieht sich auf Balthasar, den schwarzen unter den Heiligen drei Königen. Auch die Figur des "Mohren" wurde wahrscheinlich in dieser Zeit an der Fassade des Hauses angebracht. Vermutlich stieg ursprünglich aus seinem Mund eine gemalte Rauchwolke auf." Meines Erachtens reicht das als die von Michael Ladenburger geforderte "Erläuterung der geschichtlichen Zusammenhänge und Anlass zum Bedenken" nicht aus.
    Das Beethoven-Haus befindet sich aktuell noch in der Meinungsbildung; die Mitarbeitenden haben Gelegenheit, ihre Ansichten einzubringen, bevor eine Entscheidung über das weitere Procedere gefällt wird.
    Nicole Kämpken

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  2. Zwei kleine, aber bezeichnende Ergänzungen:

    Bei einer der Auktionen des Nachlasses von Kurfürst Clemens August waren zwei am 17. Mai 1764 aufgerufene Uhren mit 620 Reichstaler am höchsten taxiert , eine mit „oben dem Kopff mit einer hand haltendem Mohren, und mit der anderten hand ein pfeif am mund habend, mit welcher pfeif die stund und viertel stund schlagt, und den Kopf recht[s] und links wendet, von meßin Verguldet [=vergoldetes Messing] – ausnehmend Kostbahrer arbeit, und mit verschiedenen steinen reich besetzt, die hirsch jagdt vorstellend“ sowie eine ähnliche Arbeit „mit verschiedenen schönen steinen ausgezierter Mohrin, in einer Hand eine zurschlag Glock der Uhr dienende paresol [Pilz] oben dem Kopf haltend“.
    Der unübertreffliche Johann Nestroy drückte die Menschenrechtsfrage 1846 so aus: »Werden es denn die Engländer nie dahin bringen, dass man die Mohren unter die Weißen zählt?«

    Michael Ladenburger

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